Briefe an Herrn W. Baumann, CEO Bayer AG (19-22)
19. Die neue Mission von Bayer – ihre Umsetzung.
Lieber Herr Baumann,
Ihre bisherige #personalpolitik muffelt nach den 80er Jahren und Ihre #kommunikationspolitik basiert auf den Erkenntnissen in diesem Bereich, gerade aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Beide sind shabby chic, aber eigentlich deutlich mehr shabby als chic. Beide Politiken, zusammenfassend gesagt, sind konzipiert für vielleicht Idioten, aber auf gar keinen Fall für potenzielle Innovatoren. Wenn Sie diese Schäbigkeit akzeptieren, dann sind Sie wohl ein Verfechter des Pareto-Prinzips, nachdem 80% der Mitarbeiter nützliche Idioten sind und nur die restlichen 20% könnten noch etwas zustande bringen. Bei dieser Herangehensweise werden Sie auch alles, was nur mit Innovation zu tun haben könnte, ausgegliedert haben. Alle start ups raus, genauso wie es ein Bahnmanager neulich ‘treffend’ formuliert hat: “Eine solche Transformation können Sie nicht in den klassischen Konzernstrukturen umsetzen”. Das ist aber total falsch, weil es vieles im Unternehmen entweder ruiniert oder unmöglich macht.
20. Die neue Generation der Mitarbeiter: Faul und dumm oder resigniert?
Lieber Herr Baumann,
wie ist Ihre Vorstellung von der jungen Generation? Robert Musil meinte, dass man nur zwei Möglichkeiten in dieser Welt hat: zu verzweifeln oder zu handeln. Wenn man diese Worte auf die heutige Situation umlegt, dann verzweifeln manche in ihrer Achtsamkeit, in den Übungen, die ganz bestimmt nicht zu wirklich wertvollen Antworten führen werden, auf Fragen, die ein Kritiker in “Die Zeit” über das neueste Buch von Leif Randt aufzählt: “In einer Welt, in der die materiellen Bedürfnisse nicht mehr das Problem sind, konzentrieren sich alle Lebensentscheidungen auf Fragen der Achtsamkeit: Wie fühlt sich mein Leben an? Spüre ich mich noch? Werde ich meinen eigenen Vorstellungen von einem guten Leben gerecht? Hat mein Lifestyle Ethik und Ästhetik in der richtigen Weise ausbalanciert? Habe ich auch genug Spontaneität eingeplant?” Das alles wird nie gelingen, weil es, wie es Wolfgang Jopp formuliert hat, ohne große Niederlagen und Krisen, gar keine Kreativität geben kann, in jeglichem Sinne und in jeglichen Bereichen, ob privat oder beruflich.
21. Mitarbeiter: Achtsamkeits-Egoismus versus Gemeinschaftssinn mit Pluralität?
Lieber Herr Baumann,
die Mitarbeiter dürften eigentlich von einer Firma erwarten, dass sie entsprechende Bedingungen für Ihr sinnvolles Handeln vorfinden. Wie sollen denn sonst Mitarbeiter, die über eine sehr hohe ‘intrinsische Motivation’, ‘überdurchschnittliche Kreativität’, ‘excellente Sozialkompetenz’, beispielhaftes ‘Entrepreneurship’ verfügen, also die Elite der neuen Mittelklasse (A. Reckwitz) oder die, die den Aufstieg in diese Klasse anstreben, bei heutigem Bayer zurechtkommen? Bei dieser Mission, bei dieser #personalpolitik, bei dieser #kommunikationspolitik? Zum Schluß kommt der Zitat aus “Der Leopard” von dem großen G. di Lampedusa, ein Zitat, der so berühmt, wie leider viel zu selten, nicht nur von Firmen, auch privat, auf sinnvolle Weise umgesetzt wurde und immer noch wird: Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert.” Das ist ein sehr guter Weckruf für die wirklichen CEO’s und zugleich für die so sehr mit den Achtsamkeitsübungen Beschäftigen. Erkämpft Euch das Reale zurück und bleibt bloß nicht im sizilianischen Barock stehen.
22. Empfindungen betäuben (…) schließlich in der tödlichsten, sterilsten Passivität enden (…).” Tut das nicht gerade die Achtsamkeit?
Lieber Herr Baumann,
“Die meisten Leute wollen, dass ihr Leben problem- und widerspruchslos abläuft, ihr Alltag ist ja anstrengend genug. Und ich scheine immer wieder Dinge zu sagen, die viele lieber ignorieren oder leugnen, aus Selbstschutz oder einer heimlichen Sympathie. Wo sind die jungen Leute heute, die eine eigene, unverwechselbare Sprache gefunden haben, die lustvoll kritisieren und polemisieren, die es wagen, unbequem zu sein? (…) Es gäbe sie schon, aber sie trauen sich nicht, weil alle vor allen Angst haben, meistens auch noch völlig unnötig.” Das sagt der Schriftsteller Maxim Biller. Ich glaube, gerade vor Ihnen, lieber Herr Baumann, braucht doch niemand Angst zu haben? Oder? Sonst würde wieder das Wort von H. Arendt gelten: “(…) und als bestehe die einzige aktive individuelle Entscheidung nur noch darin, sich selbst gleichsam loszulassen, seine Individualität aufzugeben, bzw. Empfindungen zu betäuben (…) schließlich in der tödlichsten, sterilsten Passivität enden (…).” Tut das nicht gerade die Achtsamkeit?